Rechtsanwaltskanzlei
Matthias Teichner
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Tätigkeitsschwerpunkt: Arzthaftungsrecht und Medizinrecht
 
 
Sterbehilfe oder auch Euthanasie (Der Sanfte Tod) oder auch Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen im Grenzbereich zwischen Leben und Tod
 
 

Wenn man über Fragen der Sterbehilfe konstruktiv diskutieren will, kommt man nicht umhin, den Begriff erst einmal zu definieren bzw. die verschiedenen Formen der Sterbehilfe voneinander abzugrenzen. So geht es bei den unterschiedlichen Formen der Sterbehilfe, losgelöst von der Frage ihrer rechtlichen Beurteilung, entweder um eine Hilfe beim Sterben oder um eine Hilfe zum Sterben. Hilfe beim Sterben kann – logischerweise – nur dem Sterbenden angeboten und diesem gegenüber geleistet werden, während eine Hilfe zum Sterben auch dem „nur“ Gebrechlichen, ja sogar dem völlig Gesunden – z. B. in Form der Beihilfe zum Suizid – angediehen werden kann.

Üblicherweise werden im Zusammenhang mit der Hilfe beim Sterben die folgenden drei Formen der Sterbehilfe im engeren Sinne unterschieden:

  • Passive Sterbehilfe:
    Darunter versteht man den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder ihren Abbruch, wie beispielsweise den Verzicht auf eine Wiederbelebung oder die Beendigung derartiger Maßnahmen.

  • Indirekte Sterbehilfe:
    Damit bezeichnet man die Gabe oder Verabreichung starker Schmerzmittel an Sterbende, unter billigender Inkaufnahme einer etwaigen Beschleunigung des Sterbensprozesses, z. B. die Gabe von Morphium, die die Atmung des Patienten beeinträchtigen und damit den Eintritt des Todes beschleunigen kann.

  • Aktive Sterbehilfe:
    Darunter wiederum versteht man die gezielte Tötung des sterbenden (!) Patienten, beispielsweise durch die Gabe von Medikamenten, um das Leiden zu verkürzen und dies losgelöst von der Frage, ob dies auf Wunsch des Patienten geschieht oder nicht.

Diese drei Formen der Sterbehilfe, von denen die ersten beiden Formen bereits heute in Deutschland zulässig und erlaubt sind, was m. E. nicht ausreichend und deutlich genug publik gemacht und berücksichtigt wird, müssen – aus juristischer Sicht – von zwei weiteren Handlungen abgegrenzt werden, die in derartigen Fällen von Belang sind bzw. sein können. Dies deshalb, weil sich alle fünf in Betracht kommenden Handlungen im Hinblick auf ihre rechtliche Würdigung zum Teil erheblich voneinander unterscheiden.

Mit diesen beiden weiteren Formen einer Sterbehilfe im weiteren Sinne sind gemeint:

  • Die Tötung auf Verlangen:
    Die oben dargestellte Aktive Sterbehilfe erfüllt, wenn sie auf Bitten des Patienten hin geschieht, den Tatbestand der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB und ist damit unter Strafe gestellt.

  • Die Beihilfe beim Selbstmord:
    Diese Form der „Sterbehilfe“ ist straffrei, ganz einfach deshalb, weil die „Haupttat“, bei der Hilfe geleistet wird, nämlich der Selbstmord, nicht unter Strafe gestellt ist (was im Übrigen nicht selbstverständlich ist!).

Die im Einzelfall nicht immer leichte Abgrenzung der strafbaren Tötung auf Verlangen von der straflosen Beihilfe zum Selbstmord wird mit Hilfe des Merkmals der so genannten Tatherrschaft vorgenommen. Diejenige Person, die dem Sterbenswilligen – auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin – das tödliche Medikament verabreicht, also z. B. injiziert, erfüllt den Tatbestand der Tötung auf Verlangen, während Derjenige, der das betreffende Medikament lediglich beschafft, damit der Selbstmörder das Mittel selbst zu sich nimmt, lediglich eine straflose Beihilfe zum Selbstmord leistet. Dasselbe gilt sogar bzw. auch für den Fall, dass der Helfende dem Sterbenswilligen den Becher, der den tödlichen Trank enthält, zum Munde führt, denn die Flüssigkeit muss dann immer noch geschluckt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Der Sterbenswillige behält damit die Tatherrschaft.

Rechtlich problematisch wird die Situation in den Fällen der Beihilfe zum Selbstmord in dem Moment, in dem der Patient das Tod bringende Medikament z. B. in Gegenwart eines Arztes zu sich nimmt und der Arzt anschließend bis zum Eintritt des Todes des Patienten in dessen Nähe verbleibt, was an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte und sicherlich grundsätzlich der Wunsch des Patienten, aber auch des Arztes in einer solchen Situation sein dürfte. In einem solchen Fall gerät der Arzt indes deshalb in Schwierigkeiten, weil er in der Phase, in der der Patient das Bewusstsein verliert, aber noch nicht gestorben ist, die Tatherrschaft über das Geschehen erlangt. Aufgrund seiner Garantenstellung (darin steckt nicht nur zufällig das Wort Garantie) ist jeder Arzt in Notfällen grundsätzlich zum Handeln, in einem solchen Fall – paradoxerweise – zur Abwendung des Todes des Patienten verpflichtet. Der Arzt kann nämlich – so am Ende die juristische Begründung – nicht ausschließen, dass der Patient seinen Entschluss zum Selbstmord womöglich aufgeben würde, wenn er kurz vor seinem Tod das Bewusstsein noch einmal wiedererlangen und hiernach gefragt würde. In dem Moment, in dem der Patient nach Einnahme eines tödlichen Medikaments das Bewusstsein verliert, ist dessen so genannter mutmaßlicher Wille maßgeblich, der aber im Zweifel als dahin gerichtet interpretiert werden müsste, dass der Patient eine Wiederbelebung, mithin einen „Misserfolg“ des Selbstmordversuchs wünscht; dies, obwohl die unmittelbar zuvor vorgenommen Handlungen wissentlich und willentlich genau hierauf abzielten.

Im Bereich der Medizin gilt der Grundsatz „in dubio pro vitae“, also im Zweifel für das Leben. Natürlich bereitet es gewisse Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass sich der ausdrückliche Wille des Patienten, der auf das Sterben ausgerichtet ist, in dem Moment, in dem er infolge der Medikamenteneinnahme das Bewusstsein verliert, im Einzelfall in den mutmaßlichen Willen umwandeln soll, wiederbelebt zu werden, also nicht zu sterben. Man darf aber wiederum die Augen nicht davor verschließen, dass es zum Wesen des Menschen gehört, im Hinblick auf verschiedenste Entscheidungen, die man im Laufe des Lebens trifft, im Nachhinein Reue zu entwickeln. Deshalb wird man nicht vollkommen ausschließen können, dass auch ein sterbenskranker „Selbstmörder“ in einer Situation, wie sie oben dargestellt wurde, nach einer erfolgreichen Wiederbelebung vielleicht doch im Einzelfall dankbar dafür ist, dass die geplante und mit dem Arzt ausdrücklich vereinbarte Selbsttötung nicht gelungen ist.

Vielleicht sind diese Probleme und Überlegungen auch mit dafür ein Grund, weshalb die Bundesärztekammer eine Beteiligung von Ärzten an Selbstmorden ihrer Patienten nicht für angezeigt und sogar gefährlich hält.

Nach diesem Exkurs nun zurück zur eigentlichen Problematik und zu den m. E. maßgeblichen Fragen im Zusammenhang mit der Sterbehilfe im engeren Sinne. Sterbehilfe kann und sollte nur im Zusammenhang mit Patienten diskutiert werden, die sich – aus welchen Gründen auch immer (Unfall, Krankheit oder hohes Alter) – entweder im akuten Sterbensprozess befinden oder aber mit ihrem „baldigen“ Tod rechnen müssen. Aber damit stehen wir schon vor dem nächsten Abgrenzungsproblem, denn wie kann klar gesagt und bestimmt werden, ab welchem Moment sich ein Mensch – in seiner jeweiligen Situation – im Sterben befindet? So kommen die unterschiedlichsten Zeitpunkte hierfür in Betracht, beispielsweise der frühe Moment, in dem man erfährt, dass man unheilbar an einer mit Sicherheit „über lang oder kurz“ tödlich verlaufenden Erkrankung leidet, oder aber derjenige, in dem man sich infolge des Fortschreitens einer solchen Erkrankung in stationärer Krankenhausbehandlung befindet und der Eintritt des Todes nur noch eine Frage von Tagen oder gar Stunden ist.

Bereits in den Jahren 1975 bis 1980 kam ich als Student unmittelbar mit Fragen der Sterbehilfe im engeren Sinne in Berührung. Damals war ich als studentische Hilfskraft im Durchschnitt einmal wöchentlich im Nachtdienst auf der Intensivstation der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) tätig. Häufig befanden sich auf der Station einerseits Patienten mit schweren Kopfverletzungen und andererseits solche, die vor allem durch bösartige Tumore im Hirnbereich erheblich beeinträchtigt waren. Immer wieder musste unweigerlich mit dem baldigen Tod von Patienten gerechnet werden, so dass zwangsläufig die Frage danach auftauchte, welche Maßnahmen in diesen Behandlungsfällen bis zu welchem Zeitpunkt angezeigt und vertretbar waren. Das Ganze natürlich in erster Linie unter Berücksichtigung des Willens des jeweiligen Patienten, wobei damals wie heute Gespräche mit dem Patienten über dessen baldigen Tod mehr oder weniger ein Tabu darstellten. Schon damals erlebte ich das unter Fachleuten bekannte Dilemma: der Sterbende mag die Menschen, die ihn umgeben, vor allem seine Angehörigen, nicht mit dem Thema seines baldigen Todes belasten, und diese wiederum scheuen sich davor, den Patienten hierauf anzusprechen, um ihn vermeintlich zu schonen. So gerät der Sterbende – also irgendwann ein jeder von uns – in eine Isolation und ist noch mehr der Situation, der er ohnehin ohnmächtig – nämlich ohne Macht – ausgesetzt ist, ausgeliefert.

Darüber hinaus erlebte ich die mehrfache Wiederbelebung von Sterbenskranken, wobei die Maßnahmen, wie mir die verantwortlichen Ärzte erklärten, ausschließlich „aus rechtlichen Gründen“ vorgenommen wurden. Zur Schmerzbehandlung hatte man bei zwei an Krebs unheilbar erkrankten Patienten einen bestimmten operativen Eingriff (eine so genannte Chordotomie, also eine Durchtrennung von Schmerzbahnen im Bereich des Rückenmarks) durchgeführt. Dieser Eingriff, der eine erhebliche Schmerzreduktion für die Patienten mit sich brachte, ging mit dem Risiko einer Beeinträchtigung des Atemzentrums einher. Immer wenn sich dieses Risiko, also eine Atemlähmung verwirklichte, die Patienten folglich hieran zu sterben drohten, wurden sie mit erheblicher Energie und einem entsprechenden Aufwand „erfolgreich“ reanimiert. In beiden Fällen wurden – jeweils über mehrere Monate hinweg – mindestens 5 Reanimationen durchgeführt, bis die Patienten es dann „endlich“ einmal geschafft hatten, ihren Lebensrettern regelrecht zu entgehen und zu sterben.

Bei der damaligen Diskussionen über den Sinn und Zweck der mehrfachen Reanimationen erläuterten die Ärzte, sie könnten und dürften es aus rechtlichen Gründen nicht zulassen, dass die beiden Patienten an den Folgen der durchgeführten Operation und nicht an ihrem Grundleiden versterben würden. Blieben sie, die Ärzte, untätig und würden die Patienten an den Nebenwirkungen der operativen Schmerztherapie versterben, bestünde die Möglichkeit, dass die zuständige Staatsanwaltschaft, würde sie hiervon erfahren, in der unterlassenen Reanimation eine strafbare Tötung, nämlich einen Totschlag durch Unterlassen (§ 212 StGB) erblicken würde. Zumindest bestünde das Risiko, dass die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf diesen Verdacht Ermittlungen aufgenommen hätten.

Aus rechtlicher Sicht hatten die Ärzte damals mit ihren Befürchtungen Recht, wobei sich die Rechtslage insoweit bis heute nicht geändert hat. Das Dilemma, in dem sich Ärzte in derartigen Situationen befinden, rührt von deren bereits erwähnter Garantenstellung her, die diese gegenüber ihren Patienten innehaben. Eine Unterlassung, die ursächlich für einen Gesundheitsschaden bis hin zum Tod des Patienten ist, kommt einer entsprechenden, aktiven Handlung gleich. Die Bedeutung und Problematik der Garantenstellung soll durch ein Beispiel erläutert werden: So wie Ärzte Garanten im Verhältnis zu ihren Patienten sind, so gilt dies z. B. auch für Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Würde ein Vater beispielsweise untätig dabei zusehen, wie sein Kind vor seinen Augen ertrinkt, würde er sich des „Totschlags durch Unterlassen“ strafbar machen. Der neben ihm stehende, ebenfalls untätige Passant, würde sich dem gegenüber „nur“ dem Vorwurf der Unterlassenen Hilfeleistung aussetzen. Dies bedeutet, dass derjenige, der im Verhältnis zu einem Dritten eine Garantenstellung innehat, alles Mögliche und Zumutbare dafür tun muss, um Schaden von der ihm anvertrauten Person fernzuhalten, denn eine schadenursächliche Unterlassung steht einer entsprechenden Schaden verursachenden Handlung gleich. Gerade diese Garantenstellung der Ärzte gegenüber ihren Patienten dürfte hauptsächlich mit dafür ursächlich sein, weshalb nicht selten lebensverlängernde Maßnahmen bei Patienten durchgeführt werden, obwohl diese Maßnahmen nicht ihrem tatsächlichen Willen entsprechen.

Hinzu kommt, dass es zu den obersten Geboten ärztlichen Handelns gehört, Leben zu erhalten und zu verlängern. Es gilt der bereits erwähnte Grundsatz: in dubio pro vitae. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass von so manchem Arzt der Tod seines Patienten nach wie vor in gewisser Weise als Niederlage empfunden wird. Schließlich dürfte auch von Belang sein, dass die Ausbildung der Mediziner – bisher jedenfalls – die Behandlung von Sterbenden nicht mit umfasst, jedenfalls nicht in einem ausreichenden Maße.

Selbstverständlich muss das größte Augenmerk (auch) bei der Diskussion über das Thema Sterbehilfe auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gerichtet werden. Der Patient und dessen Wille und nicht der Arzt und dessen Einschätzung darüber, was dem Wohl des Patienten in der jeweiligen Situation dienen könnte, sind allein und ausschließlich maßgeblich bzw. sollten es sein. Der Patient und nur er steht im Zentrum der Geschehnisse, wenn es um den Sinn und Zweck medizinischer / ärztlicher Leistungen und Maßnahmen geht, und dies gilt natürlich – oder vielleicht sogar erst Recht – im Sterbensprozess. Deshalb ist auch bei der Behandlung lebensbedrohlich Erkrankter allen deren Wille maßgeblich, wenn es um die Frage geht, welche Maßnahmen zu treffen sind, wozu es selbstverständlich auch und vielleicht sogar gerade am Ende des Lebens in einem besonderen Maße gehören kann, auf bestimmte Maßnahmen (beispielsweise eine Reanimation, aber auch die Gabe von Medikamenten) zu verzichten. Der Arzt ist und bleibt der Berater seines Patienten. Eine „Vernunfthoheit“ steht dem Arzt demgegenüber selbstverständlich nicht zu.

Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen – die so genannte Passive Sterbehilfe – ist, wenn er dem Willen des Patienten entspricht, nicht nur seit langem in Deutschland zulässig und erlaubt, sondern es gilt selbstverständlich auch, dass derartige Maßnahmen, wenn sie gegen den Willen des Patienten durchgeführt werden, den Tatbestand der (strafbaren) Körperverletzung erfüllen. Jede ärztliche Maßnahme, auch diejenige, die der Lebensrettung oder Lebensverlängerung dient, bedarf der Berechtigung und diese erfährt sie nur dadurch, dass der Patient mit der Maßnahme einverstanden ist. Mit anderen Worten: auch die gegen den erklärten Willen des Patienten durchgeführte Wiederbelebungsmaßnahme ist eine (strafbare) Körperverletzung.

Auch die Verabreichung stark schmerzstillender und sedierender Medikamente an Sterbende, unter Inkaufnahme des etwaigen Nebeneffekts, dass hierdurch der Eintritt des Todes eventuell geringfügig beschleunigt wird – also die Indirekte Sterbehilfe – ist seit langem in Deutschland erlaubt und wird tagtäglich praktiziert. Entscheidend ist, dass die Gabe der Medikamente allein aus dem Grund geschieht bzw. geschehen muss, die Schmerzen des sterbenskranken oder sterbenden Patienten zu lindern. Hierzu ist der Arzt selbstverständlich verpflichtet. Neben dem Gebot, Leben zu verlängern, ist der Arzt im gleichen Maße dazu gehalten, Schmerzen zu lindern. Beim Sterbenden wird dieses Gebot der Schmerzlinderung zur entscheidenden Verpflichtung des behandelnden Arztes.

Lediglich die Aktive Sterbehilfe, also das gezielte, absichtliche Töten des Patienten – wenn auch aus Mitleid – ist unzulässig und steht – wenn sie auf Wunsch des Patienten hin geschieht – als Tötung auf Verlangen unter Strafe – und, das ist auch gut so. Das ist jedenfalls meine Meinung. Eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe hätte zur Folge, dass wir Ärzten das Recht verleihen würden, straffrei absichtliche, unmittelbare Tötungshandlungen zu begehen, wenn auch nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Das halte ich aus verschiedenen Gründen für im höchsten Maße problematisch und risikoreich. Dem allgemeinen und elementar wichtigen Vertrauensverhältnis zwischen den Ärzten und ihren Patienten wäre dies wahrscheinlich nicht dienlich. Entscheidend sind aber für mich bei meiner Ablehnung einer Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe die folgenden Überlegungen, die selbstverständlich nicht nur von mir angestellt werden: der Ruf nach einer Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe dürfte so lange besonders laut sein, wie zu befürchten ist, dass das Sterben für uns Mitmenschen unter Umständen mit erheblichen, ja unerträglichen Schmerzen einhergehen könnte. Und es mag durchaus so sein, dass Tag für Tag Menschen, trotz aller Fortschritte im Bereich der Schmerztherapie, tatsächlich qualvoll sterben. Dieser Umstand sollte uns aber nicht dazu veranlassen, eine Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe anzustreben, sondern vielmehr die Forderung danach zu stellen, dass auf allen Ebenen alles Erdenkliche und Mögliche getan wird, die Palliativmedizin – also die Schmerztherapie – kontinuierlich zu verbessern. Diesem Bereich der Medizin sollten meiner Meinung nach alle – von der Politik, über die Wissenschaft und Forschung bis hin zur Allgemeingesellschaft – das besondere Augenmerk schenken. Ich bin davon überzeugt, dass eine stetige Verbesserung der Schmerztherapie für Sterbende, aber z. B. auch der Ausbau von Hospizen usw., die Forderung nach einer Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe beenden bzw. überflüssig machen würde.

Nach allem muss m. E. sowohl die Möglichkeit als die Gefahr einer Wechselwirkung zwischen dem Stand der Palliativmedizin und dem Ruf nach einer Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe gesehen und berücksichtigt werden. Käme es zu einer weitestgehenden Legalisierung der Aktiven Sterbehilfe, bestünde die Gefahr, dass das Interesse an einer Verbesserung der Palliativmedizin nachlassen würde. Denn wozu würde dann noch eine ständige Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten im Bereich der Palliativmedizin benötigt werden, wo man doch den schmerzgeplagten Sterbenden zur Not – auf dessen Wunsch hin – mit einer tödlichen Dosis eines bestimmten Wirkstoffes jederzeit von seinem Leiden erlösen könnte?

Was die straffreie Beihilfe zum Selbstmord betrifft, so sollte die Straffreiheit grundsätzlich auch dem behandelnden Arzt in Aussicht gestellt werden. Allerdings sollte Voraussetzung hierfür sein, dass es sich bei dem Patienten, der sich hierzu freiwillig und nach reiflicher Überlegung entschließt, tatsächlich um einen Sterbenden oder aber um einen unheilbar Erkrankten handelt, der unter erheblichen, therapieresistenten Schmerzen leidet und dessen baldiger Tod absehbar ist. Dagegen sollte es weder ärztliche Aufgabe sein noch werden, einem aus irgendwelchen Gründen Lebensmüden bei seinem Selbstmord behilflich zu sein. Dies auch auf die Gefahr hin, dass recht fragwürdige Personen ihre Dienste auf diesem Sektor anbieten. Fragwürdig sind dabei von Fall zu Fall sowohl die Motive als auch die Methoden dieser teilweise prominenten Personen, die sich auf diesem Sektor hervortun. Der Tod darf m. E. nicht auf Bestellung mit Hilfe einer Person kommen, die man bis vor kurzem nicht kannte und die ihre entsprechenden Hilfestellungen als Dienstleistungen u. a. im Internet anbietet. Vielmehr muss Sterbebegleitung – einschließlich der zulässigen Formen der Sterbehilfe – die Aufgabe derjenigen Personen sein und bleiben, zu denen der Sterbende seit längerem Kontakt hatte. Dies dürften in der Regel Familienangehörige, behandelnde Ärzte und Pflegekräfte, aber beispielsweise auch Geistliche sein. Diese Menschen sind am ehesten dazu bereit und in der Lage, dem Sterbenden altruistisch beizustehen und mit dafür Sorge zu tragen, dass dieser unter Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts und seiner Menschenwürde aus dem Leben scheidet.

Losgelöst von der Frage, wie man persönlich zu den Fragen der Sterbehilfe steht, sollte sich ein jeder von uns in der heutigen Zeit sowohl im Besitz eines Patiententestaments als auch einer Vorsorgevollmacht befinden. Zwar ist damit – bisher jedenfalls – nicht gesagt, dass der darin von uns schriftlich niedergelegte Wille unumstößlich und absolut verbindlich für Dritte, vor allem für in der akuten Situation tätige Nothelfer und Ärzte, festgeschrieben ist. In der Regel wird aber der darin fixierte Wille des Patienten am Ende berücksichtigt werden, wobei der Person, auf die die Vorsorgevollmacht ausgestellt ist, besondere Bedeutung zukommen wird. Deshalb sollte man sich gut und gründlich überlegen, wem man diese Vollmacht erteilt, denn diese Person muss willens und dazu in der Lage sein, von Fall zu Fall sehr problematische und belastende Gespräche mit Dritten, in erster Linie mit Ärzten, zu führen und Entscheidungen zu treffen. Für so manchen nahen Angehörigen dürften diese Anforderungen nicht anderes als eine Überforderung darstellen. Nicht zuletzt deshalb sollte auch an die Möglichkeit gedacht werden, einen Rechtsanwalt mit dieser Vollmacht zu versehen. Kommt es zu Konfliktsituationen bei der Umsetzung des Patiententestaments, dann wird man in der Regel ohnehin nicht umhinkommen, einen versierten Rechtsanwalt einzuschalten.

 
 
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